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Autobahntribune

Die älteste Autobahn der Welt, die Avus in Berlin, war auch gleichzeitig eine Rennstrecke. Der monumentalen Tribüne längs der Strecke droht nach siebzig Jahren der Abriß.Autoströme können hypnotisierend wirken.

Tijs van den Boomen, NRC Handelsblad, 29 maart 2004, Pauline de Bok (beeld) , Ulrich Wuest (vertaling)

Autoströme können hypnotisierend wirken. Letzten September errichtete der holländische Künstler Peter Stel eine Tribüne längs der E35 bei Arnhem,gerade gegenüber der deutschen Grenze, und machte aus der Autobahn ein temporäres Theater, mit den gelben Natriumlampen als Spotlights und den vorbeidonnerenden Autos als Darsteller.
Aber der wahre Liebhaber von Autobahnen muß in Berlin sein. An der Avus, der Autobahn, die in die Stadt führt, steht seit fast siebzig jahren eine ständige Tribüne. Keine Reihe gelber Schalensessel wie an der E35, sondern ein zweihundert Meter langes Bauwerk mit schmalen Bänken aus Holz und einer stolz auskragenden Überdachung. Eine Tribüne, die einer alten Trabrennbahn nicht schlecht stehen würde.
Man muß zwar über einen hohen Zaun klettern, um sie zu erreichen, dann allerdings hat man einen ausgezeichneten Blick auf eine dreispurige Autobahn mit lebhaftem Verkehr. Außerdem ist es eine historische Stelle: 1921 war die Avus die erste ‘Nur-Kraftwagenstraße’ der Welt. Weil diese Bezeichnung im Gebrauch ein wenig umständlich war, wurde acht Jahre später der Terminus Autobahn geprägt und noch weitere fünf Jahre dauerte es, bevor die Nazis ihren Anfangswiderstand gegen Autobahnen überwunden hatten und den Ausbau des Autobahnnetzes drastisch in die Hand nahmen.

Die Avus, eine Abkürzung von ‘Automobil Verkehrs- und Übungsstraße’, war vorrangig eine Rennstrecke und erst in zweiter Linie eine gebührenpflichtige Strasse für den öffentlichen Verkehr. Die ‘kleine Völkerwanderung’, die sich zum Eröffnungsrennen aufmachte, sah einen Sieg Fritz von Opels mit einer Durchschnittsgeschwindgkeit von mehr als 128 Kilometern pro Stunde. Jedes Jahr wurden die Streckenrekorde gebrochen, doch Ende der zwanziger Jahre ging es mit dem Geschäft bergab. Die Autorennen wanderten aus nach Italien, und über die Avus jagten nur noch Motorräder.
Es waren die Nazis, die der Avus neues Leben einbliesen mit dem Bau der Nordkurve, einer steilen Wendeschleife, auf der die Rennwagen unter einem Winkel von 43 Grad dahinrasten. Die heutige Tribüne wurde in direkter Nähe der Nordkurve gebaut, so daß die Zuschauer eine gute Sicht auf dieses lebensgefährliche Streckenstück hatten.
1959, als Beispiel, starb hier Jean Behra während des Großen Preises von Deutschland. Der Regen hatte die Klinker der Steilwand spiegelglatt gemacht und Behra verlor die Kontrolle über das Steuer seines Porsche. Der Wagen rammte einen Betonblock, auf dem im Zweiten Weltkrieg ein Flugabwehrgeschütz gestanden hatte, Behra wurde aus dem Wagen geschleudert und durch einen Laternenmast geköpft. Rennkollege Stirling Moss bezeichnete die Avus nach dem Unfall als ‘eine der schlechtesten Rennstrecken der Welt’.
Heute werden noch ab und zu Motorradrennen veranstaltet, aber als Rennstrecke hat die Avus grundsätzlich ausgedient. Die Straße wurde zu einem beliebigen Verbindungsstück im Netz der Autobahnen, aber selbst damit hatte die älteste Autobahn der Welt kein Glück. Ausgerechnet hier schlugen Umweltschützer und Verkehrssachverständige eine Bresche in die Rechte der deutschen Autofahrer, so schnell fahren zu dürfen, wie sie wollen: 1988 wurde die Avus auf 100 Stundenkilometer beschränkt.
Die Nordkurve ist inzwischen abgerissen und auf dieser Fläche können Lastkraftwagen jetzt maximal zwei Wochen parken. Die Tribüne ist erhalten: gemeinsam mit dem nahegelegen ‘Motel Avus’ steht sie auf der Denkmalliste. Doch im Gegensatz zum Motel kann sich die Tribüne finanziell nicht tragen und so muss das Bundesvermögensamt jedes Jahr fünfzig- bis sechzigtausend Euro für ihre Erhaltung ausgeben.
Am ersten Juli wird dieses Amt ausgegliedert und muss von diesem Zeitpunkt an wirtschaftlich arbeiten. ‘Es ist für uns eine drängende Frage, warum wir die Kosten tragen müssen’, sagt Sprecher John. Und so bleibt wohl nur noch der Presslufthammer für die verlassene Tribüne

 

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